Den Imkern sterben die Völker weg

Quelle: Main-Netz.de

Bienenverlust: Experten rechnen mit einen Rückgang in Main Spessart von 30 bis 50 Prozent

Main-Spessart

 Wenn der heftige Flügelschlag der Bienen den frischen Honigduft ins Bienenhaus trägt, sind Claus Roth uns Hans-Joachim Blum glücklich. Für die beiden Imker gibt es nichts schöneres, als nach einem langen Arbeitstag in den Bienenstöcken nach dem Rechten zu sehen, den Schwarmtrieb zu kontrollieren, Waben auszuschleudern oder Völker zu erweitern.

Bienen
In den Waben setzen die Bienen den gesammelten Nektar und Blütenstaub ab. Die Imker Claus Roth (links) und Hans-Joachim Blum lieben dieses Schauspiel. Sorge hingegen macht ihnen das Massensterben der Bienen, das in diesem Jahr einen traurigen Rekord erreicht. Foto: Löbbert

Fasziniert sind beide von der Ordnung und dem reibungslosen Zusammenspiel der Insekten auf engstem Raum. Doch in diesem Jahr ist die Ordnung gestört - und auch die Freude der Hobbyimker getrübt.
Trauriger Rekord
Selten starben so viele Bienen, wie in diesem Winter. Deutschlandweit schätzen Experten den Verlust auf etwa 200 000 Völker - in der Hochphase Ende Mai kann ein einziges Volk bis zu 50 000 Bienen haben. Besonders hart hat es die Imker im süddeutschen Raum getroffen. Auch in Main-Spessart, schätzt Hans-Joachim Blum aus Karbach, Vorsitzender des Imker-Kreisverbands Main-Spessart West, die Verluste auf mindestens 30 Prozent. »Viele Imker wollen die Zahl ihrer Verluste nicht preisgeben, aber ich vermute, dass die Dunkelziffer sogar bis 50 Prozent gehen könnte«, sagt Blum.
Bei ihm selbst blieben die Ausfälle bis jetzt gering, aber Blum kennt die Situation: Vor einigen Jahren verlor er Dreiviertel seiner Völker. Auch Claus Roth, Vorsitzender des Imker-Ortsverbands Marktheidenfeld, hat in diesem Jahr größere Verluste zu beklagen. Der Triefensteiner selbst kennt Imker, die 70 bis 80 Prozents ihres Bestands verloren haben.
Milbe aus Asien ist Übeltäter
Schuld daran ist nicht, wie man meinen könnte, der strenge und harte Winter. Denn die Insekten können problemlos bei bis zu minus 20 Grad überleben. Zu schaffen macht ihnen vielmehr die Varroa-Milbe. Sie wurde Anfang der 70er Jahre von Asien nach Deutschland eingeschleppt und ist seitdem immer wieder für das Massensterben von Bienen verantwortlich.
Der Parasit vermehrt sich in den Brutzellen der Insekten und schädigt die Brut sowie die erwachsenen Bienen. »Die Tiere sind geschwächt, haben verkrüppelte Flügel und können nicht fliegen«, erklärt Roth.
Zudem können die Milben Virusinfektionen übertragen. Ein weiteres Problem: Ist ein Bienenvolk geschwächt, wird es von einem stärkeren ausgeplündert. Die Milben haben leichtes Spiel und können sich so weiter ausbreiten.
Keine chemischen Mittel
Bei der Behandlung der Bienen seien die Imker trotz umfangreicher Aufklärung schließlich auf sich selbst gestellt. Während der Saison dürfen keinerlei chemische Mittel verwendet werden, da noch Honig geerntet wird. Möglich sind eine Sommerbehandlung nach der letzten Honigernte und eine Winterbehandlung in der brutfreien Zeit. Ameisensäure und Oxalsäure sind geeignete Mittel, um die Parasiten zu minimieren.
Dazu müsse genau der richtige Zeitpunkt abgepasst werden, aber Roth ist sich sicher: »Viele Imker behandeln immer noch zur falschen Zeit.« Doch selbst wenn die Behandlung mit Unterstützung staatlicher Experten durchgeführt wurde, sei ein Erfolg nicht garantiert. »Ich habe schon erlebt, dass dennoch ein Massensterben einsetzte«, sagt Blum, der noch weitere Ursachen vermutet. »Es könnte auch standortabhängig sein. Während ich in diesem Jahr an einem Standort gleich sieben Völker verloren habe, passierte an anderen Standorten gar nichts.«
Weltweite Ursachenforschung
Tatsächlich suchen Wissenschaftler weltweit nach den Ursachen für die oft unerklärlich hohen Bienenverluste. Pflanzenschutzmittel und Ernährungsdefizite könnten neben den Parasiten für das große Sterben verantwortlich sein. So konnten Wissenschaftler erstmals nachweisen, dass die Pollenernährung Einfluss auf die Immunabwehr der Bienen hat. Besonders die Vielfalt der Pollen sei ausschlaggebend für ein gesundes Bienenleben.
»Sobald der Raps weg ist, gibt es bei uns doch nur noch grüne Wüste«, sagt der Imker Roth. Seien Wiesen früher höchstens zwei Mal gemäht worden, kämen sie heute kaum noch zum Blühen. Auch die Entwicklung weg von der Vielfalt hin zu Monokulturen schade den Insekten.
Drittwichtigstes Nutztier
Dass der Kunde etwas vom massenhaften Bienensterben bemerkt, glaubt Blum nicht. »Jetzt werden mal die Honiglager ausgeräumt. Das ist gar nicht schlecht.« Der Großteil des in Deutschland verbrauchten Honigs kommt allerdings aus dem Ausland.
Viel bedeutender ist hingegen der indirekte Nutzen, den die Bienen durch ihre Bestäubungstätigkeit bringen: Denn die Biene bestäubt über 80 Prozent aller auf Insekten angewiesenen Blütenpflanzen. Besonders in der Landwirtschaft und im Obstbau werden die Insekten gebraucht: Nach Rind und Schwein ist die Honigbiene das drittwichtigste Nutztier.         Bianca Löbbert